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Viele Menschen in Deutschland haben Anrecht auf einen Schwerbehindertenausweis, ohne es zu wissen. Zum Beispiel können auch Akne oder Migräne als Behinderung eingestuft werden. Vielen ist nicht bekannt, dass auch chronische Krankheiten wie Bluthochdruck, Bronchialasthma, Tinnitus oder Rheuma unter bestimmten Voraussetzungen eine Schwerbehinderung darstellen. Damit entgehen Ihnen Nachteilsausgleiche. Ab wann man als behindert gilt, ist im Sozialrecht definiert. Eine Behinderung liegt vor, wenn jemand eine oder mehrere Beeinträchtigungen hat, die länger als sechs Monate anhalten. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben muss beeinträchtigt sein. Die Schwere wird durch den Grad der Behinderung (GdB) beziehungsweise den Grad der Schädigungsfolgen (GdS) ausgedrückt. Details regelt die Versorgungsmedizin-Verordnung. In ihr sind alle Krankheitsbilder enthalten. Je nach Schwere ergibt sich ein bestimmter Grad der Behinderung/ Schädigungsfolge. Bei mehreren Krankheiten wird ein Gesamtgrad gebildet. GdB und GdS sind gestaffelt in Zehner-Einheiten und können zwischen 20 und 100 betragen. Jemand gilt als schwerbehindert, wenn der GdB 50 und mehr beträgt. Im Prinzip kann jede Krankheit, ob nun körperlicher oder psychischer Art, einen GdB begründen, beispielsweise eine schwere Verlaufsform von Migräne oder eine stark ausgeprägte Akne. Auch eine Frau, der ein bösartiger Brustdrüsentumor entfernt wurde, gilt zumindest in den ersten fünf Jahren nach der OP als schwerbehindert. Wer eine Schwerbehinderung feststellen lassen will, muss einen Antrag beim Versorgungsamt seiner Gemeinde stellen. Dafür reicht ein formloses Schreiben, in dem man um die "Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft" bittet. Daraufhin bekommt der Antragsteller ein Formular zugeschickt, das ausgefüllt werden muss. Wichtig ist hierbei, dass der Antragsteller seine persönliche Betroffenheit deutlich macht. Er muss genau beschreiben, inwiefern die Krankheit den eigenen Alltag beeinträchtigt. Außerdem sollte man einen selbst verfassten Tagesablauf beizufügen. Natürlich sollten alle ärztlichen Unterlagen, die sich auf die Gesundheitsstörung beziehen, dem Antrag beigefügt werden. Liegt der Grad der Behinderung/ Schädigungsfolgen nach Feststellung des Amtes bei mindestens 50, wird ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt. Dann können Nachteilsausgleiche in Anspruch genommen werden. Höhere Steuerfreibeträge sind denkbar. Das Rentenalter sinkt auf 62. Der Arbeitgeber muss nicht informiert werden. Das ist aber sinnvoll, weil der Arbeitgeber Schwerbehinderte fördern muss. Ihnen stehen etwa fünf Tage mehr bezahlter Urlaub im Jahr zu. Überstunden können verweigert werden. Zudem können Schwerbehinderte nicht ohne weiteres gekündigt werden. Erst muss das Integrationsamt dem zustimmen. Auch außerhalb des Berufslebens gibt es Nachteilsausgleiche. So können mobilitätsbehinderte Menschen billiger oder kostenlos mit Bus und Bahn fahren. Sie haben zudem die Möglichkeit, ihr Fahrzeug im eingeschränkten Halteverbot und auf Behinderten-Parkplätzen zu parken - der Schwerbehindertenausweis allein reicht aber nicht, man benötigt einen besonderen Parkausweis. Bei Kultur- und Freizeitveranstaltungen gibt es oft Preisnachlässe, wenn man einen Schwerbehindertenausweis vorlegt. |
Der Seh-Netz e.V. aus Gersheim betreibt unter der Webadresse www.schwerbehindertenausweis.de eine sehr informative Seite für (Schwer-)Behinderte. Dort werden sämtliche Nachteilsausgleiche, also Vergünstigungen, für Menschen mit Behinderung ausführlich dargestellt. Insbesondere ist dort eine Nachteilssuche in Form eines "Rechners" enthalten, bei dem Sie ihre persönlichen Parameter wie GdB, Merkzeichen, Besonderheiten und evtl. Sozialleistungsempfängereigenschaften ankreuzen. Anschließend werden Ihnen die Nachteilsausgleiche der diversen Gesetze übersichtlich angezeigt.
Hier ist der LINK: Nachteilsausgleich-Suche.
Da wir für den Inhalt der dortigen Angaben nicht verantwortlich sind, keinerlei Beziehung zu dem Verein besteht und wir auch keinen Einfluss auf dortige Inhalte haben, können wir für dortige Angaben keine Garantie übernehmen und müssen die Haftung selbstverständlich ausschließen.
Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe gehört ein Hausgebärdensprachkurs als Assistenzleistung, bei dem die Gebärdensprache im häuslichen Umfeld unterrichtet wird.
Anspruchsberechtigt können auch Menschen sein, deren Sprachfähigkeit hinsichtlich der Wortfindung oder dem Artikulationsvermögen beeinträchtigt ist. Die Antragsstellerin war vier Jahre alt.
LSG Hessen, Beschluss vom 09.12.2021, Az. L 4 SO 218/21 B ER
Das Gericht ordnete den Anspruch per Einstweiliger Anordnung an, weil das Erlernen der Gebärdensprache als weiteres Mittel der Kommunikation dem Kind die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft erleichtert und seine psychische Belastung mildert.
Das Mädchen kann aufgrund einer Sprachentwicklungsstörung - ohne sprachrelevante Hörstörung - nicht intuitiv die Zunge nach links, rechts oder oben bewegen. Es kann daher nur wenige Wörter verständlich aussprechen.
Gewährt wurde ein Hausgebärdensprachkurs von sechs Stunden wöchentlich. Maßnahmen der Eingliederungshilfe sollen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder erleichtern. Dabei sollen Kontakte auch zu nicht behinderten Menschen - und zwar nicht nur zu nahestehenden Personen wie Familienangehörigen - gefördert werden. Ob ein Anspruch besteht, richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls.
Im Hauptsacheverfahren kann eine weitere Sachaufklärung durch ein Sachverständigengutachten erfolgen.
Folgen Sie den Links zur Website des Vereins Seh-Netz e.V., um die jeweiligen Voraussetzungen für die Merkzeichen nachlesen zu können. Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis
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LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.09.2022 - L 16 KR 421/21
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass dem Wunsch- und Wahlrecht bei der Hilfsmittelversorgung weiter Raum zu gewähren ist. Im zugrunde liegenden Fall hatte ein querschnittsgelähmter Mann ein Hilfsmittel begehrt, um sich auch weiterhin aktiv fortbewegen zu können. Auf einen billigeren Elektrorollstuhl wollte er sich nicht verweisen lassen.
Er war bislang mit einem Aktivrollstuhl nebst mechanischem Zuggerät (Handbike) versorgt. Wegen nachlassender Kraft und zunehmender Schulterbeschwerden beantragte er bei seiner Krankenkasse ein elektrisch unterstütztes Zuggerät. Die Kasse lehnte den Antrag ab und bot dem Mann stattdessen einen Elektrorollstuhl an. Ein elektrisch unterstütztes Zuggerät möge zwar wünschenswert, hilfreich und sinnvoll sein. Gleichwohl stelle es eine nicht notwendige Überversorgung dar, weil die Basismobilität auch mit einem rein elektrischen Hilfsmittel gesichert werden könne, das nur rund die Hälfte koste.
LSG stellt auf Willen des Querschnittsgelähmten ab
Anders als die erste Instanz hat das LSG die Kasse zur Kostenübernahme verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein querschnittsgelähmter Versicherter nicht gegen seinen Willen auf einen rein passiven Elektrorollstuhl zur Erschließung des Nahbereichs verwiesen werden könne, wenn er lediglich eine elektrische Unterstützung benötige. Bei der Prüfung des Anspruchs auf ein solches Hilfsmittel dürfe das Grundbedürfnis der Erschließung des Nahbereichs nicht zu eng gefasst werden. Dies folge aus einer grundrechtsorientierten Auslegung, den Teilhabezielen des SGB IX und der UN-Behindertenrechtskonvention. Dem Wunsch- und Wahlrecht des behinderten Menschen sei volle Wirkung zu verschaffen, betont das LSG. Die Leistung müsse dem Berechtigten viel Raum zur eigenverantwortlichen Gestaltung der Lebensumstände lassen und die Selbstbestimmung fördern. Im Fall des Klägers widerspräche eine nicht gewünschte Versorgung mit einem Elektrorollstuhl dem Selbstbestimmungsrecht des Behinderten.
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Die schwerbehinderten Menschen haben gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf
![]() Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr; verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend. Tarifliche, betriebliche oder sonstige Urlaubsregelungen können für schwerbehinderte Menschen nur einen längeren Zusatzurlaub vorsehen. |
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BSG, Urteil vom 19.05.2022 - B 8 SO 13/20 R
Behinderte Menschen können auch Eingliederungshilfeleistungen für solche Kosten erhalten, die entstehen, weil sie bei einer Urlaubsreise auf eine Begleitperson angewiesen sind. Der Wunsch eines behinderten Menschen, einmal im Jahr für eine Woche in den Urlaub zu fahren, sei im Grundsatz als angemessen anzusehen.
Der auf einen Rollstuhl angewiesene Kläger beschäftigt zu seiner Pflege rund um die Uhr drei Pflegehelfer. Er unternahm im Juli 2016 eine 7-tägige Schiffsreise auf der Nordsee mit zwei Landausflügen. Einen seiner Assistenten nahm er zur Sicherstellung seiner Pflege auf die Reise mit. Seine eigenen Reisekosten trug der Kläger selbst.
Das BSG urteilte, dass Urlaubsreisen als Form der Freizeitgestaltung ein legitimes soziales Teilhabebedürfnis darstellen. Kosten für den eigenen Urlaub seien aber grundsätzlich nicht als Leistung der Eingliederungshilfe zu übernehmen.
Anders liege es bei behinderungsbedingten Mehrkosten wie den Reisekosten einer notwendigen Begleitperson. Denn mit diesen Kosten sei der behinderte Mensch allein aufgrund seiner Behinderung konfrontiert. Sie seien als Teilhabeleistung zu übernehmen, wenn sie vor dem Hintergrund der angemessenen Wünsche des behinderten Menschen notwendig sind. Der Wunsch eines behinderten Menschen, sich jährlich einmal auf eine einwöchige Urlaubsreise zu begeben, sei im Grundsatz als angemessen anzusehen. Unter gleichartigen Reisen müssen aber wenn möglich Reisen angetreten werden, die geringere oder keine behinderungsbedingten Mehrkosten auslösen.